Dr. Harald Blomberg
„Als ich 1972 meine Zulassung als Arzt erhielt, fühlte ich mich ein wenig auf verlorenem Posten, denn mein Studium hatte mich den Glauben an die Schulmedizin verlieren lassen. Sie erschien mir wie eine allzu starke Vereinfachung, die auf einer äußerst eingeschränkten theoretischen Grundlage beruht. Ich dachte ernsthaft darüber nach, den Beruf zu wechseln, entschied mich jedoch dagegen und nahm eine Stelle in der Kinderpsychiatrie an. Dieser Zweig der Medizin erschien mir als der am wenigsten „wissenschaftliche“.
Außerdem beschäftigte man sich hier vor allem mit dem Gehirn, und dies zu einer Zeit, als das Gehirn nichts weiter zu sein schien als eine Ansammlung von Molekülen und deren Nervenimpulsen.
Ich arbeitete drei Jahre in der Kinderpsychiatrie, bevor ich im Jahr 1976 meine Facharztausbildung in allgemeiner Psychiatrie begann.

1975
bereiste ich im Rahmen einer Studiengruppe die Sowjetunion und besuchte Leningrad, Moskau und Tiflis, wo ich einiges über die dort praktizierte Psychologie und Psychiatrie erfuhr. Wir hatten die Gelegenheit, einen der führenden Psychiater, Professor Ruben Nadscharow, kennen zu lernen, der sich mit dem Thema „Missbrauch der Psychiatrie für politische Zwecke“ beschäftigte. Er erweckte mein Interesse für dieses Thema, dem ich mich gleich nach meiner Rückkehr zu widmen begann. Ich schrieb ein Pamphlet und viele Artikel darüber. Auch fuhr ich mehrere Male nach Moskau, um die Opfer des Missbrauchs zu interviewen und verfasste schließlich ein Buch mit dem Titel „Opposition – eine Geisteskrankheit?“ Ich schmuggelte Psychiatrieberichte über die Grenze und brachte sogar eine Kopie des Untergrundmagazins „A Chronicle of Current Events“ in den Westen.
1982
hatte ich meine Facharztausbildung abgeschlossen und begann als Psychiater in einer psychiatrischen Ambulanz zu arbeiten.
1978
beantragte ich, dass der schwedische Psychiatrieverband den in der Sowjetunion betriebenen Missbrauch der Psychiatrie verurteilen solle. Der Vorstoß wurde nahezu einstimmig abgelehnt, nur vier Stimmen sprachen sich dafür aus. Vier Jahre später, während derer unter anderem mein Buch erschien und ich zusammen mit Amnesty International und schwedischen Solidaritäts–gruppen zahlreiche Artikel verfasste, um die Praktiken in der Sowjetunion und die Standpunkte der dortigen Psychiater bekannt zu machen, änderte der Verband seine Position und beschloss, den Missbrauch zu verurteilen.
1984
begann ich eine zweijährige Ausbildung in klinischer Hypnose. Zu den Lehrern zählten mehrere bekannte klinische Hypnosetherapeuten aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Peter Blythe, der Gründer des Institute of Neuro-Physiological Psychology war einer meiner Lehrer. Neben dem Lehrgang in Hypnose besuchte ich auch einen Kurs über primitive Reflexe und Lernstörungen.
1985
lernte ich Kerstin Linde kennen, eine autodidaktische Körpertherapeutin ohne formale medizinische Ausbildung. Sie arbeitete mit rhythmischen Bewegungen, die sich an jene Bewegungen orientieren, die Kleinkinder ausführen, bevor sie zu laufen beginnen. Man hatte mir berichtet, sie habe sehr erfolgreich Kinder und Erwachsene mit schweren neurologischen und anderen Problemen behandelt. Als ich sie traf spürte ich das dringende Bedürfnis, etwas für meine eigenen, durch Kinderlähmung in der Kindheit verursachten Bewegungsstörungen zu tun. Also meldete ich mich als Patient bei ihr an. Ihre Behandlungsmethode beeindruckte mich stark und ich bat sie, bei den Behandlungen anderer Patienten dabei sein zu dürfen, was sie mir liebenswürdigerweise gestattete. Besonders interessierte mich ihre Arbeit mit Kindern, die unter neurologischen Behinderungen litten wie beispielsweise Zerebralparese. Ich sah mit eigenen Augen die durch ihre Behandlung erzielten Verbesserungen, die all meinem medizinischen Wissen und meiner Erfahrung widersprachen. Ich verfolgte auch ihre Arbeit mit Alzheimer-Patienten und Menschen mit Psychosen und anderen psychischen und emotionalen Störungen. Selbst in diesen Fällen waren die positiven Auswirkungen ihrer Behandlung verblüffend. Ich beschloss, ein Buch über ihre Behandlungsmethode zu schreiben und begann die Eltern von behinderten Kindern zu befragen, die bei Kerstin Linde in Behandlung waren.
eröffnete ich eine Privatpraxis und ein Kollege lud mich ein, das Bewegungstraining bei einigen schwerkranken Patienten einzusetzen, die unter Schizophrenie litten. Die meisten von ihnen waren schon zehn Jahre oder länger stationär in der psychiatrischen Klinik untergebracht, in der er arbeitete. Im Jahr 1991 entwickelte sich diese Arbeit zu einem Forschungsprogramm unter der Supervision eines Assistenzprofessors für Psychologie an der Universität von Umeå. Es war auf fünf Jahre ausgelegt, wurde aber leider im Jahr 1994 unterbrochen, als ich meine Arbeit an der psychiatrischen Klinik aus privaten Gründen aufgeben musste. Allerdings wurde im Jahr 1993, nachdem das Programm zwei Jahre gelaufen war, ein Bericht erstellt, der sich mit „Kurzzeitveränderungen bei chronisch schizophrenen Patienten unter der Behandlung mit rhythmischer Bewegungstherapie“ befasste. Der Bericht war eine Examensarbeit zweier Psychologiestudenten. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Studie darauf hinweise, dass die mit rhythmischer Bewegungstherapie behandelten Patienten in größerem Maße in der Lage waren, an sozialen Aktivitäten und der Beschäftigungstherapie teilzunehmen sowie sich an den täglichen Aufgaben auf der Station zu beteiligen als zuvor. Ihr Interesse an ihrem Umfeld war ebenfalls gestiegen.
1989
1986
führte ich das rhythmische Bewegungstraining von Kerstin Linde an dieser Klinik ein, sowohl für neurotische als auch für psychotische Patienten. Die Ergebnisse waren hervorragend. Es zeigten sich selbst bei einigen Fällen von langwieriger Schizophrenie erstaunliche Besserungen. Die Patienten waren sehr dankbar und glücklich über die Behandlung, aber als mein Vorgesetzter davon erfuhr, verbot er es mir mit dieser Methode weiterzuarbeiten. Ich weigerte mich dem Verbot Folge zu leisten, und um mir Einhalt zu gebieten, sah er keine andere Möglichkeit, als mich der staatlichen Gesundheitsbehörde zu melden